Thorunn Egilsdottir
Corporate Communication Manager
28. Juni 2024

Wie baut man nachhaltige Gemeinschaften auf, und wie involviert man die Interessengruppen?

Was sind in Luxemburg die größten Problematiken hinsichtlich der unternehmerischen Sozialverantwortung und Nachhaltigkeit, und auf welche besonderen Hürden stoßen inländische Akteure aus der Wirtschaft beim Versuch, nachhaltige Gemeinschaften einzurichten? Im Rahmen dieses Gesprächs beschreiben uns Laetitia Georgel und Sophie Öberg von IMS Luxemburg, das Engagement luxemburgischer Unternehmen für soziale Verantwortlichkeit und Nachhaltigkeit. Ebenso geben sie fünf praktische Ratschläge, die beim Aufbau nachhaltiger Gemeinschaften helfen sollen.

1. Wie können Unternehmen in Luxemburg auf sinnvolle Weise Interessengruppen in ihre ESG-Initiativen einbeziehen?

Als Interessengruppen gelten sämtliche Einzelpersonen oder Gruppen, die von den Aktivitäten einer Organisation betroffen sein könnten bzw. deren Aktivitäten eine solche Organisation betreffen könnten. Sie können je nach Art und strategischer Bedeutung für die Organisation auf vielfältige Weise involviert werden. Denn, was im Mittelpunkt einer sozialen Verantwortung eines Unternehmens steht, ist die Verantwortlichkeit der Organisation, im Interesse seiner jeweils spezifischen Interessengruppen vorzugehen und nicht im Interesse der Interessengruppen im Allgemeinen zu handeln. Ebenso sollte hinterfragt werden, wie letztere wiederum die Organisation in Bezug auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft beeinflussen. Interessengruppen können aus dem internen (z. B. Mitarbeiter*innen, Unternehmensausschüsse, Aktionäre/Investoren) wie auch aus dem externen Kreis (z. B. Kunden, Lieferanten, Händler, Partner, lokale Gemeinschaften, Nichtregierungsorganisationen/Verbände, Regierungen/Aufsichtsbehörden, Banken, Medien) stammen. Nachdem die Organisation Interessengruppen identifiziert hat, sollten diese je nach ihrer strategischen Bedeutung hierarchisiert werden. Dementsprechend können die Methoden der Zusammenarbeit, das Ausmaß und die Häufigkeit der jeweiligen Einbeziehung sowie die einfache Informationsweitergabe im Rahmen individueller Gespräche bestimmt werden. Zum Beispiel kann das anhand von Fragebögen, Gruppendiskussionen, öffentlichen Befragungen oder lokalen Versammlungen erfolgen.

2. Was sind die besten Instrumente für luxemburgische Unternehmen, um Nachhaltigkeit in ihren lokalen Gemeinschaften zu fördern?

Das effizienteste und sinnvollste Instrument zur Förderung der Nachhaltigkeit in der lokalen Gemeinschaft besteht darin, die eigenen Interessengruppen zu kennen und sie zu involvieren. Auf diese Weise kann sich das Unternehmen auf deren Bedürfnisse, Interessen und Erwartungen ausrichten und sich ebenso alle Informationen beschaffen, die  für die Durchführung seiner Tätigkeiten nützlich sind. Das Engagement des Unternehmens mit seinen Interessengruppen stellt so eine wesentliche Quelle für Chancen, Risikosteuerung und Optimierung von Entscheidungen dar. Damit kann eine Verbesserung der globalen Leistung und zugleich verantwortliches und nachhaltiges Handeln unterstützt werden. Letztlich fördert dieses Engagement auch Transparenz und Kollaboration und festigt ebenso die Glaubwürdigkeit, Legitimität und Vertrauen in das Unternehmen innerhalb seiner lokalen Gemeinschaft.

3. Wie können Nichtregierungsorganisationen wirkungsvoll mit Unternehmen zusammenarbeiten, um das Engagement von Interessengruppen in Luxemburg zu stärken?

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) arbeiten zu gemeinnützigen Zwecken im öffentlichen Interesse, für das weder der Staat noch eine internationale Organisation zuständig ist. Sie sind wichtige Akteure in der Zivilgesellschaft und stellen damit im Großteil der Fälle Interessengruppen dar, die von einem Unternehmen zu berücksichtigen sind. Je nach Bereich der Tätigkeiten und strategischen Ausrichtungen des Unternehmens, sind Nichtregierungsorganisationen von mehr oder weniger großen Bedeutung (z. B.: NGOs aus dem Umweltsektor für die im Bereich der fossilen Energien arbeitende Unternehmen, NGOs aus dem Bereich der Menschenrechte für die in der Textilbranche tätige Unternehmen, NGOs aus dem sozialen und solidarischen Bereich für die Gastgewerbeunternehmen).

Sie können sich konkret bei den Firmen engagieren, sei es als Anlaufstelle und vorschlagende Partei im Rahmen der Gespräche mit dem Unternehmen, sei es im Zuge von Partnerschaften wie z. B. Eingliederungen (Eingliederung von der Arbeit räumlich entfernten Personen über das Unternehmen), sei es in Form von Sponsoring von Kompetenzen (Nutzung von intern nicht vorhandenen Kompetenzen anhand eines Einsatzes von Freiwilligen im Unternehmen), von verantwortlichem Einkauf (Anbieten von Alternativen zum herkömmlichen Einkauf im Unternehmen), sei es als Wissensvermittlung (Weitergabe von Wissen an ein Unternehmen, das die von der Nichtregierungsorganisation behandelten Themen in seine Strategie aufnehmen möchte) oder als Freiwilligenarbeit (Aufnahme eines Teams von Freiwilligen vor Ort für eine sinnvolle Aufgabe).

4. Was sind die besonderen Herausforderungen, die sich den luxemburgischen Akteuren aus der Wirtschaft stellen, wenn sie nachhaltige Gemeinschaften schaffen möchten? Und welche innovativen Lösungen sollten sie dazu heranziehen?

Die Herausforderungen, die sich Akteuren aus der Wirtschaft beim Aufbau nachhaltiger Gemeinschaften stellen, sind ziemlich ähnlich den Herausforderungen, die für das Land insgesamt festgestellt wurden und sich auf die Interessensgruppen auswirken, die eben diese Gesellschaften bilden. Zu den bedeutendsten Herausforderungen gehören: eine sehr wichtige demografische Entwicklung (+60 % Wachstum  seit den 2000er-Jahren), die insbesondere große Herausforderungen in Bezug auf die Raumordnung (Verkehr, Wohnungen, usw.) bewirkt und sehr starken Druck auf die Umwelt (Ressourcen, Klima, usw.) ausübt, eine große Vielfalt der Bevölkerung (170 verschiedene Nationalitäten) und eine sich verändernde soziale Harmonie (47,5 % der Bevölkerung sind nicht Luxemburger*innen, nur 27 % der Arbeitsstellen sind von Luxemburger*innen besetzt, es gibt über 200.000 Grenzgänger*innen/Tag, eine alternde Bevölkerung mit einem praktisch dreimal höheren Anteil an über 80-jährigen im Jahr 2050). Daraus ergeben sich unter anderem Herausforderungen in den Bereichen grenzüberschreitende Zusammenarbeit, interkulturelle und generationenübergreifende Kommunikation, Inklusion und Vielfalt.

Um diese Fragestellungen zu bewältigen, ist es für Akteure aus der Wirtschaft von Vorteil, Beratungen und Gespräche mit ihren Interessengruppen zu führen – wie zuvor erwähnt –, um gemeinsam Lösungen mit positiver Wirkung für alle auszuarbeiten. Die Entwicklung von nachhaltigen Gemeinschaften ist eigentlich eine gemeinsame Verantwortung, die einer Kollaboration zwischen den Sektoren, den Branchen und allen Interessengruppen zum Wohl der Allgemeinheit bedarf.

5. Was sind Ihre fünf praktischen Ratschläge für unsere Leser*innen, die dazu beitragen möchten, nachhaltige Gemeinschaften aufzubauen?
  1. Die zur Organisation passenden Interessengruppen aus dem internen wie auch externen Kreis identifizieren.
  2. Die Interessengruppen je nach ihrer strategischen Bedeutung, ihren Verbindungen und Abhängigkeiten hierarchisieren und zuordnen.
  3. Die geeignetsten Methoden der Zusammenarbeit auswählen.
  4. Auf regelmäßige, reaktive, transparente und achtungsvolle Weise die Interessensgruppen nach dem Prinzip der laufenden Verbesserung beurteilen und anpassen.
  5. Referenzmaterialien und Hilfsmittel heranziehen, wie die ISO-Norm 26000, das ESR-Label, die B Corp Zertifizierung oder auch die Ziele der nachhaltigen Entwicklung.
Über diesen Blog:

Der rasche Wandel hin zu globaler ökologischer Nachhaltigkeit ist dringend geboten. Wirtschaft und Industrie haben enorme soziale und ökologische Auswirkungen. „Warum ist das wichtig?“  ist ein zweimonatlicher Blog, der darauf abzielt, dieses wichtige Thema aus der Sicht unserer Experten zu beleuchten.


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