Thorunn Egilsdottir
Corporate Communication Manager
15. Juli 2021

Was ist Greenwashing und warum ist es ein Problem?

Seit 25 Jahren bieten Spuerkeess und etika ein ethisches Sparkonto an, welches bis vor kurzem das einzige nachhaltige Bankprodukt Luxemburgs war. Die alten Ziele von 1996 haben nichts an ihrer Relevanz oder Aktualität eingebüßt, sogar ganz im Gegenteil. Viele Unternehmen beteuern, dass ihre Produkte umweltfreundlich seien, obwohl dem nicht so ist. Ekkehart Schmidt von etika gibt Ihnen Tipps, wie Sie sich vor dem „Öko-Trick“ schützen können.

1. Wie definieren Sie Greenwashing?

Seit einigen Jahrzehnten bezeichnet man mit „Greenwashing“ solche Kampagnen und PR-Aktionen bei denen einzelne Produkte, ganze Unternehmen oder politische Strategien in ein „grünes“ Licht gestellt werden, sodass der Eindruck entsteht, die Akteure würden besonders umweltfreundlich, ethisch korrekt und fair handeln – auch wenn das nicht stimmt. Eher neu ist der Begriff „Socialwashing“, bei dem es um die Verschleierung problematischer Arbeitsbedingungen geht.

Genutzt werden diese Praktiken, weil viele Kunden bereit sind, höhere Preise für nachhaltige Produkte zu zahlen. Da eine echte Umstellung auf nachhaltige Produkte für Unternehmen aber in der Regel mit hohen oder höheren Kosten verbunden sind, wird stattdessen so getan als ob.

2. Greenwashing ist nichts Neues. Ist es wirklich auf dem Vormarsch und wenn ja, warum?

Ja, eindeutig. Es gibt kaum noch ein Massenprodukt mehr, das nicht auch als „bio“, „fair“ oder „nachhaltig“ angeboten würde: von Flugreisen mit Ausgleichszertifikat über nachhaltiges Palmöl bis hin zu Rindfleisch von „brasilianischen Wellness-Farmen“, wie Kathrin Hartmann in „Die grüne Lüge“ schreibt. Besonders auffällig ist dies seit ein bis zwei Jahren im Bereich der Finanzprodukte. Kunden, vor allem institutionelle Anleger fragen nachhaltige Produkte nach. Wenn man aber nicht „liefern“ kann, muss man so tun als ob, um die Erwartungshaltung zu befriedigen und sich auch gegenüber Wettbewerbern zu profilieren. Die Global Sustainable Investment Alliance  hat in vielen Studien gezeigt, dass die Zahl der Finanzprodukte, die vorgeben nachhaltig zu sein, massiv angestiegen sind.

Man kann auch davon ausgehen, dass die EU nicht eine Regulierung solcher Produkte auf den Weg bringen würde (die so genannte Taxonomie), wenn es nicht ein Problem gäbe. Das Problem ist: Der Finanzsektor muss gemäß dem Klimaabkommen von Paris Gelder in „grüne“ Bereiche investieren. Um wirklich „Paris conform“ zu werden darf nicht nur so getan werden, als ob.

3. Neben der Irreführung der Verbraucher, die zu Verbraucherskepsis führt, warum sollte Greenwashing ein Problem sein?

Es ist deswegen ein Problem, weil es nicht um die moralische Frage geht, ob Konsumenten in die Irre geführt werden oder immer misstrauischer würden. Es wird ja auch selten gelogen. Wir sprechen mit Blick auf die Klima- und Biodiversitätskrise aber von einem globalen Problem, das unser aller Existenz gefährdet. Und wenn wir uns da eine Lösung vorgaukeln, verschieben wir das Problem in die Zukunft. Wir kommen ja nicht um eine Lösung herum. Und umso länger wir das nicht angehen oder uns mit Scheinlösungen zufriedengeben, umso teurer wird es. Es geht nicht um Ethik bei Geschäftsmodellen, sondern um die notwendige Transformation einer Wirtschaft, die zu großen Teilen noch auf der Externalisierung sozialer und ökologischer Folgen beruht. Für echte Preise, also solche, die schädliche Produktionsweisen internalisieren, brauchen wir Transparenz durch alle Lieferketten. A propos „schädlich“: Greenwashing ist nachteilig für alle. Nur nicht für die Unternehmen – glauben sie jedenfalls. Dabei zerstören sie damit ihr wichtigstes Kapital: Ihre Glaubwürdigkeit und damit auch ihr Image.

4. Gibt es eine Regulierung der Europäischen Union? Wenn ja, ist sie wirksam?

Tatsächlich gibt es seit März mit der SFDR ein erstes Puzzlestück, das Bestandteil eines größeren Regulierungsrahmenwerkes ist - dem Aktionsplan Nachhaltige Finanzen der EU-Kommission. Seitdem müssen Vermögensverwalter für Produkte, die sie als "nachhaltig" vermarkten, erklären, inwieweit Nachhaltigkeitserwägungen in die Auswahl der enthaltenen Titel einfließen. Die SFDR wird zukünftig von einer Taxonomie flankiert, welche klären soll, was als nachhaltig gelten kann. Weitere Teile des Aktionsplans sehen vor, ein europäisches Eco-Label für Retail-Finanzprodukte zu erstellen oder auch Berichtspflichten zu nichtfinanziellen Informationen innerhalb der EU zu erweitern. Wir halten all diese Schritte für sehr sinnvoll und wichtig denn Sie haben das Potential das omnipräsente Greenwashing deutlich zu erschweren, wenn auch hier und da klar Verbesserungspotentiale bestehen. 

5. Mit Blick auf Luxemburg, welche Sektoren sind vom Greenwashing betroffen?

Als ein Land, dass sehr stark vom Dienstleistungssektor und dabei insbesondere dem Finanzplatz dominiert wird, haben wir weniger ein Problem mit bestimmten Industriezweigen, als andere Länder. Der Finanzplatz ist vor allem ein global bedeutender Standort für Investmentfonds. Daher hat etika schon zwei Mal die Fondsindustrie untersucht und einen Guide für nachhaltiges Investment erstellt, zuletzt 2009. Das Thema ist also nicht neu.

Wir haben damals alle Fonds untersucht, deren Namen Nachhaltigkeit suggerierten, zum Beispiel „Wasser“ oder „Renewables“. Da mussten wir schon genau im Investitionsprospekt nachschauen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Es reicht nicht, sicher zu sein, dass die Gelder tatsächlich in Wasserkraftwerke investiert werden: Es gibt zum Beispiel in Brasilien Staudämme zur Stromerzeugung, für deren Bau nicht nur Natur zerstört, sondern auch die indigene Bevölkerung vertrieben wurde. Das ist dann das Gegenteil von nachhaltig, wenn diese Menschen danach zu Bewohnern der Favelas von Großstädten werden…

6. Viele Unternehmen beteuern, dass Nachhaltigkeit auf der Prioritätenliste ganz oben steht. Wie können Verbraucher sicherstellen, dass die Produkte und Dienstleistungen, die sie kaufen, umweltfreundlich sind?

Konsumenten müssen bei solchen Aussagen vor allem darauf achten, ob die Unternehmen von ihren internen Abläufen oder ihren Produkten sprechen. Es hilft wenig, wenn auf dem Dach Solarzellen liegen und die Kantine auch Biofleisch im Angebot hat, wenn die Produktionsweise unverändert bleibt. Oder wenn das Angebot neben den zehn nicht-nachhaltigen alten Produkten zwei neue hinzugefügt werden, die nachhaltig sind. Das betrifft vor allem die Nahrungsmittel-Industrie. Ferner darf man nicht alles glauben, was einem in Wort und Bild suggeriert wird. Da wird oft mit Begriffen versucht, eine Vorstellung zu erzeugen, die nicht zutrifft: Hinter Worten wie „traditionelle Herstellung“, „handwerklich“ bzw. „artisanale“ versteckt sich zu oft doch eine industrielle Herstellung. Häufig geht Nachhaltigkeit nicht über die Bezeichnung hinaus. Oder nehmen wir Eier oder Fleisch aus Massentierhaltung, von deren Etikett ein lachendes Huhn oder ein lustiges Schweinchen grüßt. Hier gilt es vor allem, ein gesundes Misstrauen zu entwickeln und auf glaubwürdige Label zu achten. Oder einfach auch den Händler zu fragen! Also: Sich informieren und Transparenz einfordern.

7. Etika ist seit 25 Jahren unser Partner. Können Sie uns etwas über unsere Zusammenarbeit erzählen? Was waren die Herausforderungen? Was waren die Highlights?

Das Highlight ist für uns immer noch, die Tatsache, dass eine Bank mit Akteuren der Zivilgesellschaft ein gemeinsames Produkt schafft: unser Alternatives Sparkonto. Ich glaube, wir haben durch die Kombination unserer Stärken ein erfolgreiches Produkt entwickelt. Zunächst war es eine große Herausforderung, das Sparkonto gut zu vermarkten. Da half uns vor allem die Finanzkrise, über die wichtigen symbolischen Marken von 1000 Konten und 50 Millionen Euro zu springen.

Ich denke, wir können stolz sein über diese Rolle als Pionier wirklich nachhaltiger Finanz. Auch unser zivilgesellschaftliches Engagement, vor allem die beharrliche Sensibilisierungsarbeit für Ethik in der Finanz hat vielleicht nicht immer jedem geschmeckt.

8. Wie haben sich die Verbraucher in den letzten 25 Jahren verändert? Was ist der größte Unterschied zwischen heute und damals?

In der Finanzkrise 2008 und nun in der Covidkrise wurde vielen Menschen klar: Wir können nicht weiter so wirtschaften, wie bisher. Sie haben verstanden, dass man nicht nur auf den Preis und die Rendite schauen darf, sondern auch auf ökologische und soziale Faktoren. Sie fordern jetzt einen echten Wandel ein und pochen auf Transparenz. Beides müssen essenzielle Bestandteile jeder Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen und Banken werden. Die Konsumenten sind nicht mehr blauäugig.

9. Was sind Ihre fünf nützlichen Tipps zum Thema Greenwashing?

Vielleicht sind es folgende Gedanken:

Fünf nützlichen Tipps zum Thema Greenwashing

1. Werte abwägen: Man sollte lernen, im Dreiklang zu denken: Ein verlockender Preis ist nur ein Kriterium, die anderen beiden sind die sozialen und ökologischen Folgen der Herstellung.

2. Aktiv nachfragen: Händler kann man fragen, ob sie ein Produkt auch in Bioqualität oder erwiesener Nachhaltigkeit haben. Man kann Konsum als politischen Akt sehen: Nachhaltige Verkäufer/ Produzenten durch einen Kauf unterstützen, die anderen meiden.

3. Wahrnehmung: Der einfachste Weg, um herauszufinden, ob ein Unternehmen oder eine Marke "Greenwashing" betreibt, ist die Recherche nach Zahlen oder Nachweisen, die ihre Behauptungen stützen, anstatt sie für bare Münze zu nehmen.

4. Gesundes Misstrauen: Falls ein Verdacht besteht, dass es große Unterschiede bei Produkten gibt, sollte man versuchen die neutralsten und unabhängigsten Institutionen zu finden, die einem bei der Auswahl helfen: Gute Quellen sind zum Beispiel Öko-Test  oder Verbraucherzentralen.

5. Analysieren und Suchen: Man sollte bei häufig gekauften Produkten nicht aufgeben, die wirklich guten zu suchen. Was auch immer die Behauptung ist (organisch/Bio, Fair Trade, Öko, tierfreundlich, klimaneutral): auf der Verpackung finden sich bei seriösen Anbietern Siegel bekannter Zertifizierer.

Vielen Dank für dieses interessante Interview.

Gerne.

Über diesen Blog:

 
Der rasche Wandel hin zu globaler ökologischer Nachhaltigkeit ist dringend geboten. Dank all jener, die diesen Wandel aktiv gestalten, ist echter Fortschritt möglich. „Warum ist das wichtig?“ ist eine zweimonatliche Serie, die einen kurzen Blick auf Pioniere der heutigen Trends rund um das Thema Nachhaltigkeit wirft. Seit Mai 2021 versuchen wir, dieses wichtige Thema aus dem Blickwinkel unserer Experten zu beleuchten.

 
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