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Thorunn Egilsdottir
Corporate Communication Manager
28. Februar 2022

Milch und Fleisch - wie können Luxemburger Bauern die Umwelt besser schützen?

In Luxemburg sind die Temperaturen seit 1832 um 1,3 Grad gestiegen. Laut Wetterexperten werden auch in Luxemburg Dürre und Starkregen zunehmen. Die Landwirtschaft leidet darunter, ist aber gleichzeitig mit dafür verantwortlich: 30% des weltweiten CO2-Ausstosses ist auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Aloyse Marx, Präsident des "Fräie Lëtzebuerger Baureverband" erzählt uns in diesem Interview wie Luxemburg's Bauern negative Auswirkungen auf unser Klima vermindern können und gibt fünf praktische Tipps, was man beim Kauf von Milch und Fleisch beachten sollte, wenn man den CO2-Fußabdruck verringern möchte.

1. Herr Marx, durch die Klimadebatte hat der Fleisch-und Milchverzehr ein schlechtes Image. Zu Recht?

Jede Aktivität des Menschen hinterlässt einen CO2-Fußabdruck. So auch unsere Ernährung, ob auf Basis von pflanzlichen oder tierischen Lebensmitteln. Da ich für die Luxemburger Landwirtschaft spreche, möchte ich betonen, dass wir mit weniger als 10% Anteil der landwirtschaftlichen CO2-Emissionen in Luxemburg im weltweiten Vergleich recht gut liegen. Ca. 90% der CO2-Emissionen fallen demnach auf Wärme- und Energiegewinnung, das Baugewerbe, Mobilität, Transport und Industrie in Luxemburg. Es ist zutreffend dass tierische Lebensmittel eher einen höheren Fußabdruck haben als pflanzliche Produkte. Dafür werden tierische Erzeugnisse saisonal unabhängig frisch produziert während pflanzliche Nahrungsmittel in unserer Region nur in der Vegetationszeit frisch produziert werden können, es sei denn man produziert sie unter hohem Energieeinsatz in Gewächshäusern. In der Milch- und Fleischerzeugung können in der Aufzucht der Tiere viele pflanzliche Nebenprodukte von vegetarischen Lebensmitteln genutzt werden welche nicht für die menschlichen Ernährung uneingeschränkt geeignet sind. Hier sind Stroh aus der Getreideerzeugung, Rapsschrot aus der Rapsölerzeugung oder Biertreber aus der Bierproduktion nur einige Beispiele dafür. Diese tierische Wiederverwertung von vegetarischen Reststoffen trägt dazu bei, den Fußabdruck pflanzlicher Lebensmittel zu mindern. Ebenso können tierische Produkte auf Agrarflächen erzeugt werden, die aufgrund niedriger Bodenqualität keine pflanzlichen Lebensmittelproduktion für den menschlichen Verzehr erlauben. Tierische Lebensmittel haben meistens eine höhere Nährstoffdichte als pflanzliche Nahrung, d.h. man braucht quantitativ weniger Nahrung für den gleichen Energie- und Eiweißwert. Eine objektive Einschätzung darüber wie groß der CO2-Fussabdruck eines Lebensmittels, ob tierisch oder pflanzlich, ist lässt sich allerdings nur durch ganzheitliche Betrachtung des CO2-Fußabdrucks feststellen. Dieser wird im Wesentlichen durch die Erzeugung selbst, seine Verarbeitung, seine Konservierung und dem Transport des Lebensmittels beeinflusst. Seit einigen Jahren berechnen ca. 40 % der luxemburgischen Milcherzeuger den CO2-Footprint der von Ihnen erzeugten Milch. Diese Milcherzeuger produzieren ausschließlich Milch aus zertifizierter gentechnikfreier Fütterung, d.h. ohne gentechnisch modifizierten Soja aus Lateinamerika. Als Milcherzeuger sind sie darüber hinaus eingebunden in die Klimaschutzstrategie ihrer europäischen Genossenschaftsmolkerei ARLA welche eine Reduzierung von 30% des CO2-Footprints bis 2030 und eine CO2 Nettonull Milcherzeugung bis 2050 zum Ziel hat. Diese Klimaschutzstrategie von ARLA basiert auf den Vorgaben der „Science based Targets Initiative“ zur Einhaltung der 1,5 Grad Grenze der COP21. Ähnliche Anstrengungen werden national ebenfalls in der Rindfleischerzeugung gemacht. Die Voraussetzungen sind damit gegeben um eine klimafreundliche ausgeglichene Ernährung auf pflanzlicher und tierischer Basis zu garantieren. 

2. Die Methanproduktion im Pansen einer Kuh ist ein natürlicher Prozess. Sie können der Kuh nicht verbieten zu pupsen. Kann die Digitalisierung dabei helfen klimaneutrale Milch und Fleisch zu produzieren?

Durch die digitale Erfassung aller betrieblich relevanten Zahlen wissen wir heute bereits, dass wir in Luxemburg mit einem CO2-Footprint im Schnitt von ca. 1,1 kg äquivalent pro kg Milch weit unter dem weltweiten Durchschnitt von ca. 2,4 kg äquivalent pro kg Milch liegen, Methanemissionen der Kuh sind schon mit eingerechnet. Die Klimaschutzstrategie von ARLA als solches zielt darauf die Landwirte zu sensibilisieren um alle Hebel die in Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung stehen zu nutzen um noch klimafreundlicher zu produzieren. Im Kontext dieser Berechnung des CO2-Footprints durch externe Institutionen ist die Qualität der Daten, die als Grundlage der Berechnung dienen, von extremer Wichtigkeit. Wir unterteilen bei der CO2-Footprint-Berechnung in der Landwirtschaft in die sogenannten „Big five“, jene Bereiche die den größten Einfluss auf das Klima haben. Bei den meisten dieser fünf Bereiche stellt die digitale Erfassung von Daten eine anzustrebende Vorgehensweise dar. Neben den Daten, welche aus der jährlichen Buchführung des landwirtschaftlichen Betriebes entnommen werden, können dank Digitalisierung permanent Daten in einem Betrieb erhoben werden und zur Steuerung eines klimafreundlichen Betriebsmanagements genutzt werden. Beispiel: Fütterung der Tiere. In diesem Bereich bieten die digitalgestützten Systeme weitreichende Möglichkeiten um z.B. die Erfassung des Futterverbrauches zu verfolgen, um die Optimierung der klimawirksamen Parameter in der Fütterung der Tiere zu steuern. Digitalisierung stellt zudem ein bedeutsames Hilfsmittel in weiteren „Big five“-Bereichen dar, nämlich um Nährstoffverluste in Feldern und Wiesen zu vermeiden um das Pflanzenwachstum und die Pflanzengesundheit zu verbessern. Die Erzeugung von erneuerbarer Energie in landwirtschaftlichen Betrieben sowie die Kohlenstoffspeicherung im Boden ergänzen die anzustrebenden Veränderungen um tierische Erzeugnisse klimaneutral zu produzieren.

Die jährlich erfassten einzelbetrieblichen Daten aus dem ARLA Klimacheck, sowie die Trimester-Daten aus dem „Arlagarden“ Programm (Tierschutz und Umweltparameter) stellen die Grundlage dar um dem Verbraucher in Zukunft anhand der Blockchain-Technologie die größtmögliche Transparenz in Bezug auf die Einflüsse der Milcherzeugung auf das Klima sowie die Umwelt zu vermitteln.  

3. Was wäre, wenn wir die Preise von Milch und Fleisch erhöhen? Würde dies zu einem verminderten Konsum führen und damit zu weniger Emissionen?

Die Höhe der Preise für Lebensmittel richtet sich in der freien Marktwirtschaft nach Angebot und Nachfrage. Deshalb werden in einem marktwirtschaftlichen System in der Regel Preise nicht von Organisationen oder politischen Institutionen festgelegt. Grundsätzlich sind höhere Preise in der Landwirtschaft aber die Grundvoraussetzung für eine Verbesserung der Klimaleistung der Landwirtschaft. Ob höhere Agrarpreise aber im Endeffekt dazu führen, dass der Produzent netto mehr erwirtschaftet hängt von dem Gesamtkontext ab. Eine dauerhafte Verteuerung der Energie wird tiefgreifende Veränderungen in der landwirtschaftlichen Betriebskalkulation und Preisgestaltung zur Folge haben. Kostensteigerungen auf dem Energiesektor bedeuten höhere Ausgaben für Futter, Dünger und Treibstoff. Werden diese Kosten nicht integral über den Verkaufspreis gedeckt wird dies mittelfristig eine Verringerung der Eigenversorgung der Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zur Folge haben. Eine Verlagerung von Teilen der Nahrungsmittelproduktion in andere Regionen des Globus mit wesentlich schlechterer Umweltbilanz pro Produkt ist die Folge. Wir erleben dieses Szenario ganz aktuell in der Schweinezucht. Das sollte nicht das Ziel in Luxemburg und Europa sein. Zur Vermeidung einer solchen Entwicklung sind Konzepte notwendig, die den Handel in die Pflicht nehmen sowie den Verbraucher mit ins Boot nehmen. 

Deswegen gehört zur Strategie von ARLA, einen qualitativen Ansatz in der Preisfindung von Milchprodukten zu etablieren, damit der Verbraucher klar erkennen kann welchen Einfluss sein Kauf auf die verschiedenen Nachhaltigkeitsbereiche hat. Die Klima- und Nachhaltigkeitsstrategie führt dazu dass die Art und Weise wie Milch produziert wird in Zusammenhang mit Tierschutz, Klimaschutz, Biodiversitätsschutz künftig über objektive Kaufentscheidungen gesteuert werden könnte. Die Erstellung digitaler Lieferketten sowie die Umsetzung eines netzwerkbasierten Wertschöpfungsansatzes z.B. via Blockchain-Technologie sind in der Planung. Die von den Milcherzeugern gelieferten Daten bilden die Grundlage für ein solches Vorhaben. ARLA nimmt derzeit an einem Projekt des deutschen Landwirtschaftsministeriums Teil um die Grundzüge für eine solche Vorgehensweise zu planen.

4. Bis 2025 soll ein Fünftel der Luxemburgischen Agrarflächen der Biolandwirtschaft gewidmet sein. Biomilch und Biofleisch ist jedoch um einiges teurer.

Kann die Luxemburgische Biolandwirtschaft mit den Billigpreisen aus dem Ausland mithalten?

Luxemburg hat bei der Bioproduktion einige große Standortnachteile. Hohe Lohnkosten und regional unterdurchschnittliche Bodenqualitäten. Beides hat zum Ergebnis dass bei pflanzlichen Erzeugungen Gemüse und Getreide die Erträge geringer und/oder die Kosten höher sind als in ausländischen begünstigten Regionen. Für die Produktion von Gemüse kommt hinzu dass in Luxemburg aufgrund seiner Topographie, die unverzichtbare Bewässerung kompliziert ist und dies die Produktionskosten ebenfalls entscheidend nach oben drückt. Wie in der konventionellen Landwirtschaft liegt in der Biolandwirtschaft aufgrund natürlicher Gegebenheiten daher ein höheres Produktionspotential tendenziell im tierischen Bereich. Das führt in der biologischen Landwirtschaft dazu, dass ein Export von tierischen Erzeugnissen erforderlich ist. Man sollte daher so ehrlich sein und sich eingestehen dass ein kleines Land wie Luxemburg grundsätzlich auf Export und Import angewiesen ist. Unsere Großregion als Bezugsgröße zu definieren wäre realistischer als sich auf die nationalen Grenzen zu fokussieren. Wie in der konventionellen Landwirtschaft kommt dem Marketing der Produkte in der Biolandwirtschaft eine entscheidende Rolle zu teil, um höhere Preise beim Verbraucher zu erzielen.

5. Welche 5 praktischen Tipps haben Sie für unsere Leser, die Milch und Fleisch ohne schlechtes Gewissen kaufen möchten?

Fünf Tipps, wie Sie Milch und Fleisch ohne schlechtes Gewissen kaufen können :

1. Rund 30% unserer Lebensmittel landen im Müll. Entlasten Sie das Klima, und kaufen Sie ausschließlich das, was Sie brauchen.

2. Kaufen Sie Milch- und Fleischprodukte aus zertifizierter gentechnikfreier Fütterung, denn sie schützen das Klima;

3. Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit Lebensmitteln deren CO2-Footprint von unabhängigen Institutionen berechnet wurde und eine Lieferkettentransparenz garantieren;

4. Damit der notwendige Wandel hin zu klimafreundlicher Landwirtschaft gelingen kann, Kaufen Sie Lebensmittel bei Einzelhändlern, welche sich als fairer Partner zwischen Produzenten und Konsumenten erwiesen haben;

5. Fordern Sie, gemeinsam mit der Landwirtschaft, dass die Politik den Rahmen schafft, dass in den Lieferketten die Lasten und Erträge gerecht verteilt werden.

Über diesen Blog:

 

Der rasche Wandel hin zu globaler ökologischer Nachhaltigkeit ist dringend geboten. Wirtschaft und Industrie haben enorme soziale und ökologische Auswirkungen. „Warum ist das wichtig?“  ist ein zweimonatlicher Blog, der darauf abzielt, dieses wichtige Thema aus der Sicht unserer Experten zu beleuchten.


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