Thorunn Egilsdottir
Corporate Communication Manager
30. September 2021

Heiße Städte. Stehen uns unerträgliche Sommer bevor?

In den Städten wird es auf der ganzen Welt immer heißer. Zurückzuführen ist das auf die zunehmenden Mengen an Beton, Stahl, Asphalt und Autoabgasen, welche die Folgen der globalen Erwärmung verstärken, auf Kosten der Umwelt. Einige Nachhaltigkeitsexperten warnen davor, dass es in verschiedenen bevölkerten Regionen in 50 Jahren so heiß sein wird wie in der Wüste. Dr. Andrew Ferrone, Leiter des meteorologischen Dienstes der Verwaltung für technische Dienste der Landwirtschaft des Ministeriums für Landwirtschaft, Weinbau und ländliche Entwicklung, hat dazu Antworten.

1. Herr Ferrone, was können Sie Klimawandel-Skeptikern sagen?

Der Weltklimarat (IPCC) ist in seinem letzten Bericht zu folgender Schlussfolgerung gekommen: „Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt.“

234 hochkarätige Klimaforscher aus der ganzen Welt haben diesen Bericht verfasst, welcher allen Wissenschaftlern für Kommentare offenstand. Alle Regierungen der 195 Mitgliedsstaaten des Weltklimarats haben der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger zugestimmt. Dieses Vorgehen zeigt, dass der Weltklimarat im Grunde eher konservativ ist. Die obenstehende Schlussfolgerung ist jedoch ganz klar. Alle Wissenschaftler und Regierungen sind der Ansicht, dass der Mensch die globale Erwärmung seit 1850 verursacht hat. Und jeder Zweifel an der Realität des Klimawandels sowie an seinen Ursachen hat keine gültige Grundlage mehr.

2. Kanada wurde dieses Jahr von einer nie dagewesenen Hitzewelle getroffen. Wird es auch hier in Luxemburg unerträglich heiß werden, und wenn ja, auf welche Temperaturen müssen wir uns für die nächsten Jahrzehnte einstellen?

Das World Weather Attribution Projekt ist zu dem Schluss gekommen, dass die extreme Hitzewelle in Nordwestamerika ohne den menschenverursachten Klimawandel praktisch nicht möglich gewesen wäre. In Europa haben laut Weltklimarat die Häufigkeit und Intensität von extremen Hitzeereignissen in den letzten Jahrzehnten zugenommen und werden auch weiterhin zunehmen, unabhängig davon, wie sich zukünftig die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen entwickeln. Tatsächlich wird sich die Verringerung der globalen Emissionen der nächsten Jahrzehnte erst in etwa 20 Jahren feststellbar auf die Temperaturen auswirken, auch wenn andere Wirkungen wie eine geringere Luftverschmutzung viel schneller eintreten werden.

In Luxemburg haben wir beobachtet, dass die Jahresdurchschnittstemperaturen im Land zwischen 1991 und 2020 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1861–1890) lagen. Verglichen damit lagen die global gemessenen Temperaturen in einem ähnlichen Zeitraum im Durchschnitt 1,0 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Dies hängt damit zusammen, dass sich die Landoberfläche schneller erwärmt als die Ozeane und die Erwärmung damit über dem globalen Durchschnitt liegt. Wir können davon ausgehen, dass dieser Erwärmungstrend bis in die 2040er anhält. Wenn die globalen CO2-Emissionen zu dem Zeitpunkt netto gegen Null gehen werden, können wir eine allmähliche Stabilisierung der Temperaturen erwarten.

 

3. Warum scheinen Großstädte besonders von der Klimakrise betroffen zu sein?

In Städten und Ballungsräumen ist es wärmer[1] als in den umliegenden ländlichen Gebieten. Das liegt am sogenannten Wärmeinseleffekt.

Dieser Effekt ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, darunter die wärmeabsorbierenden Eigenschaften vieler in Städten genutzter Baustoffe sowie die Geometrie der Bebauung, durch die die Luftzirkulation zwischen Gebäuden reduziert und Wärme eingeschlossen wird. Zum Wärmeinseleffekt tragen außerdem direkt durch menschliche Aktivitäten verursachte Wärme und die fehlende Vegetation bei.

Das alles bedeutet, dass Städte die Hitzebelastung aufgrund globaler Erwärmung noch verstärken. Der Weltklimarat hat zum Beispiel festgestellt, dass die Stadtregion Brüssel sich zwischen 1950 und 2018 um 0,6 Grad mehr erwärmt hat als die umliegenden ländlichen Gebiete und auch dass Städte den Effekt extremer Klimaereignisse wie Hitzewellen verschärfen – mit mehr heißen Tagen und warmen Nächten, die die Wärmebelastung erhöhen.

[1] Quelle: https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downloads/factsheets/IPCC_AR6_WGI_Regional_Fact_Sheet_Europe.pdf

 

4. Wie können wir Städte an den Klimawandel anpassen und wie machen wir sie hitzebeständiger?

Die beste Möglichkeit, Städte an den Klimawandel anzupassen, besteht darin, die Faktoren, die zum oben beschriebenen Wärmeinseleffekt beitragen, zu reduzieren. In bestehenden Städten sind Änderungen der Bebauungsgeometrie nahezu unmöglich. Bei der Planung neuer Quartiere oder der Sanierung und dem Umbau bestehender Gebäude können solche Änderungen jedoch eine große Wirkung entfalten.

Des Weiteren kann eine bessere Wärmedämmung von Gebäuden zu einer Reduktion der durch menschliche Aktivitäten verursachten Wärme führen. Durch diese Maßnahme bleibt Wärme in Wohnungen und Büros und gelangt nicht in den gesamten Stadtbereich, was den Vorteil hat, dass Treibhausgasemissionen ebenfalls reduziert werden.

Schließlich können Wasser- und/oder Grünflächen, die für neue Projekte geplant oder in bestehenden urbanen Gebieten hinzugefügt werden, den Wärmeinseleffekt verringern. Eine grünere Stadt hat zudem den Vorteil, dass die Vegetation Kohlenstoffdioxid aus der Luft binden kann, was eine Karbonsenke darstellt, welche für die Stabilisierung der globalen Temperaturen notwendig sind.

 

5. Der Bau von Gebäuden erfordert hohe Energiemengen. Wie wichtig ist der Bausektor, wenn es darum geht, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu beschränken?

Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit in Gebäuden genutzter Energie (17,5 Prozent) und der Produktion von Zement (3 Prozent) machten 2016[2] zusammen etwas mehr als ein Fünftel aller vom Menschen verursachten Emissionen aus. Das zeigt, wie wichtig der Bausektor beim Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 ist, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Wärmedämmung und effiziente Energienutzung in Gebäuden (sowohl in Wohn- als auch in Gewerbegebäuden) zusammen mit einer kohlenstoffneutralen Energieproduktion können einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten.

[2] Quelle: https://ourworldindata.org/emissions-by-sector

6. Kann der Wärmeinseleffekt durch weiße Oberflächen, insbesondere weiße Dächer, reduziert werden?

Weiße Oberflächen haben ein höheres Rückstrahlvermögen als dunkle Oberflächen, was bedeutet, dass sie einen größeren Teil der Sonneneinstrahlung reflektieren und weniger davon absorbieren und in Wärme umwandeln. Folglich erwärmen sich weiße Plätze weniger als dunkle Plätze, auch wenn die Reflektion Personen, die sich auf dem Platz befinden, blendet.

Pflanzen auf einem Platz, insbesondere Bäume, die Schatten spenden und CO2 aus der Atmosphäre absorbieren, reduzieren lokale Temperaturen viel mehr als eine Farbänderung. Eine Kombination beider Optionen kann zu einer lokalen Reduktion des Wärmeinseleffekts beitragen.

Die Wirkung ist jedoch wirklich sehr lokal. Dächer und Straßen in weißer Farbe anzumalen, wäre nicht ausreichend, um dem Anstieg der globalen Temperaturen durch menschenverursachte Treibhausgase entgegenzuwirken.

 

7. Können Sie uns fünf Tipps für den Alltag geben, um sich gegen Hitzewellen zu wappnen?

Die beste Möglichkeit, Hitzewellen entgegenzuwirken, besteht darin, die Emissionen in den kommenden Jahrzehnten deutlich zu senken und CO2-Emissionen bis 2050 netto auf Null zu reduzieren, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Der Weltklimarat[3] hat festgestellt, dass eine Hitzewelle, die in vorindustriellen Zeiten statistisch gesehen einmal in 50 Jahren vorkam, heute bereits einmal in 10 Jahren auftritt und dass sie bei einer Erwärmung um 2 Grad in nahezu 14 von 50 Jahren auftreten würde, verglichen mit etwa 8,5 von 50 bei einer Erwärmung um 1,5 Grad.

Aber auch mit den ambitioniertesten Reduktionen der globalen Emissionen wird Luxemburg weiterhin häufigeren und stärkeren Hitzewellen gegenüberstehen. Wenn es zu einer Hitzewelle im Land kommt, ist es wichtig, die folgenden Empfehlungen[4] des Ministeriums für Gesundheit zu befolgen.

[3] Quelle: Basierend auf Figure SPM.6 der SPM: https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downloads/report/IPCC_AR6_WGI_SPM.pdf
[4] Quelle: sante.public.lu/fr/publications/a/attention-canicule-fr-de-pt/canicule-depliant-fr.pdf

 

Fünf Empfehlungen des Ministeriums für Gesundheit für das Verhalten bei Hitzewellen

1. Trinken Sie mindestens 1,5 Liter Wasser am Tag.

2. Gehen Sie wenn möglich nicht in die direkte Sonne.

3. Vermeiden Sie körperliche Aktivitäten in den heißesten Tagesstunden (die Temperaturen sind in Luxemburg im Sommer typischerweise etwa um 17 Uhr am höchsten).

4. Nehmen Sie wenn möglich eine kühle Dusche.

5. Achten Sie auf Senioren und schutzbedürftige Personen in Ihrer Umgebung und gehen Sie sicher, dass sie genug Wasser trinken.

Über diesen Blog:

 
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