Sie machen sich Gedanken darüber, wie Ihre finanziellen Entscheidungen wirksam zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen können? Sie möchten sich über die innovativen Initiativen informieren, die in Luxemburg angestoßen wurden, um die nachhaltige Finanzwirtschaft ins Rollen zu bringen? In diesem Interview verrät uns Laetitia Hamon, Head of Sustainable Finance bei der Börse Luxemburg, ihre Ideen und Erfahrungen mit diesen entscheidenden Themen. Bei der Lektüre dieses Artikels finden Sie heraus, wie Sie konkret etwas bewirken und zu einer Triebfeder des Wandels hin zu einer nachhaltigen Zukunft werden können.
Ade lineare Wirtschaft. Willkommen Kreislaufwirtschaft!
Die Fertigungsprozesse der linearen Wirtschaft verursachen die Hälfte der weltweiten Emissionen. Die Gewinnung der Ressourcen führt auch zu anderen Problemen, wie Artenverlust, Wasserstress, illegalen Abfallablagerungen und negativen Auswirkungen auf Gemeinschaften, vor allem in Entwicklungsländern. Bei der Kreislaufwirtschaft dreht sich dagegen alles um Nachhaltigkeit. Es geht jedoch nicht darum, sich einfach aus einer schwierigen Situation herauszuwinden. Es muss zu grundsätzlichen Veränderungen bei der Rohstoffgewinnung, der Produktion und beim Konsumverhalten kommen. Mit anderen Worten: Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen. Wir haben mit Frau Laurence Tock, Direktionsbeauftragte für Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Technologien im Wirtschaftsministerium gesprochen, die uns in die Grundlagen der Kreislaufwirtschaft eingeführt hat.
Die guten Nachrichten:
- Europa hat im Jahr 2020 seinen Aktionsplan Kreislaufwirtschaft vorgelegt.
- Luxemburg präsentierte 2021 eine Kreislaufwirtschaftsstrategie (siehe www.circular-economy.lu).
- Joe Biden forderte kürzlich ein „Recht auf Reparatur“. Außerdem gibt es immer mehr sogenannte Reparaturcafés, in denen sich Gleichgesinnte treffen.
1. Frau Tock, statt unsere Produkte nach Gebrauch wegzuwerfen, sollten wir den Konsum reduzieren, Produkte wiederverwenden und recyceln. Das klingt einfach, aber wie können wir die Kreislaufwirtschaft auf globaler Ebene hochskalieren?
Tatsächlich lautet der erste Schritt „umdenken“. Das beginnt mit der Gestaltung qualitativ hochwertiger Produkte, die länger halten (Reduzierung), zur Wiederverwendung repariert werden können und sich demontieren lassen, um die Komponenten und Rohstoffe ordnungsgemäß zu recyceln oder in den biologischen Kreislauf zurückzuführen (im Falle von biobasierten Rohstoffen). Das Wirtschaftsministerium unterstützt Unternehmen dabei, diesen Weg zu wählen, zum Beispiel mit dem Wettbewerb „Circular by Design“ und Förderprogrammen im Rahmen der Initiative „Fit4Circularity“.
Um alle erwähnten zirkulären Geschäftsmodelle wirklich zu unterstützen, müssen wir auch sicherstellen, dass die zirkulären Eigenschaften von Produkten für alle verfügbar gemacht werden, die bereit sind, diesen Weg einzuschlagen. Dies ist ein wichtiger Punkt, der mit der Initiative „Product Circularity Data Sheet“ (PCDS) angegangen wird, die im Jahr 2018 vom luxemburgischen Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen wurde. Bisher haben sich über 50 Unternehmen der Initiative angeschlossen, die ein dreigleisiges System entwickelt hat, das über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zuverlässige Informationen über zirkuläre Eigenschaften ermöglicht. Die Initiative umfasst die Abfassung eines ISO-Standards mit Unterstützung des ILNAS.
2. Was sind die größten Herausforderungen bei der Umstellung von der linearen auf die Kreislaufwirtschaft? Benutzerfreundliches Online-Shopping? Produkte, die billig, aber nicht dauerhaft sind?
Um Zirkularität zu ermöglichen, darin sind sich die Experten grundsätzlich einig, müssen mehrere Aspekte mithilfe verschiedener Faktoren verbessert werden. Dazu zählen eine bessere Haltbarkeit, eine höhere Qualität, eine längere Lebensdauer, Reparierbarkeit, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, die Verwendung nachhaltiger Materialien usw. wie oben erklärt.
Die Bereitstellung zuverlässiger, transparenter Informationen über die Zirkularität eines Produkts oder einer Dienstleistung (zum Beispiel mit dem PCDS als Branchenstandard, aber auch mit einer Kennzeichnung für die Verbraucher, wie dem Reparaturfähigkeitsindex in Frankreich) ist ebenfalls eine wesentliche Voraussetzung für die Schaffung von Vertrauen entlang der Produktions- und Konsumwertschöpfungsketten. Vor allem aber muss unsere Gesellschaft erkennen, dass sowohl die Ressourcen als auch die biologische Regenerationskapazität unseres Planeten begrenzt sind und der Materialfußabdruck unserer Gesellschaft als Ganzes drastisch reduziert werden muss. Die Kreislaufwirtschaft ist ein Instrument, um dieses Ziel zu erreichen. Die entscheidende Frage ist nicht das Online-Shopping oder der Preis von Produkten, sondern die Ausrichtung von Geschäftsmodellen und Produkten auf die Grundsätze einer Kreislaufwirtschaft.
3. Frau Tock, gibt es irgendwo in Luxemburg eine Dokumentation, die aufzeigt, wo wir uns befinden und wo wir sein müssten?
Luxemburg hat bisher keine nationale Lückenanalyse durchgeführt. Andere Länder, die dies getan haben, kamen zu sehr enttäuschenden Ergebnissen. Schätzungen auf der globalen Ebene ergaben, dass unsere Wirtschaft zu weniger als 9 % zirkulär ist (https://www.circularity-gap.world/2022). Das STATEC arbeitet jedoch an Indikatoren, die die Zirkularität für Luxemburg ermitteln sollen. Die Schwierigkeit bei der Erfassung solcher Daten besteht häufig in den Eigenschaften unserer Wirtschaft (zum Beispiel in den enormen Import- und Exportströmen, dem hohen Anteil an Dienstleistungen usw.).
Ein sehr guter Indikator für die aktuelle Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem erwünschten Zustand ist der Erdüberlastungstag. Hier nimmt Luxemburg eine der Spitzenpositionen ein. Mitte Februar 2022 hatten wir bereits alle Naturressourcen verbraucht, die uns der Planet Erde für ein ganzes Jahr zur Verfügung stellen kann. Das bedeutet, dass wir auf Kosten vieler armer Menschen in aller Welt und unserer Kinder leben.
4. Welche Risiken kommen auf uns zu, wenn wir die Umstellung nicht in den nächsten Jahren schaffen?
Es gibt mehrere Risiken, hauptsächlich im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Ressourcen sowie den ökologischen Folgen des erzeugten Abfalls. Das aktuelle Überkonsummodell belastet die Verfügbarkeit von Rohstoffen und treibt ihre Preise in die Höhe. Darüber hinaus sind wir mit einer Beschleunigung von Klimakrisen und einer rapiden Abnahme der Artenvielfalt konfrontiert, die die Grundlagen des Lebens auf der Erde gefährdet – oder zumindest das Überleben von höher entwickelten Arten, wie den Menschen. Darüber hinaus wird es zu Konflikten um Ressourcen kommen, von Wasser und Lebensmitteln bis zu Energieträgern und Mineralien. Wir müssen sicherstellen, dass der Konsum wieder auf ein normales, akzeptables Niveau zurückgeschraubt wird, das für die Welt als nachhaltig angesehen werden kann. Die Kreislaufwirtschaft bietet viele Möglichkeiten, wie man es aus wirtschaftlicher Sicht besser machen kann, und schafft zudem noch soziale und ökologische Vorteile.
5 nützliche Tipps, um zum Erfolg der Kreislaufwirtschaft beizutragen:
Diese Tipps sind natürlich sehr persönlich. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir mit unseren eigenen Gewohnheiten viel bewirken können. Stellen Sie die richtigen Fragen, um verantwortlicher zu konsumieren:
1. Brauche ich dieses Produkt wirklich?
2. Was kann ich tun, um weniger zu konsumieren, zum Beispiel, indem ich mit anderen teile?
3. Wie kann ich dafür sorgen, dass die Produkte, die ich habe, länger halten?
4. Wie kann ich dafür sorgen, dass andere Menschen von einem Produkt profitieren, das ich nicht mehr verwende?
5. Was kann ich sonst noch tun, um einen nicht benutzten Gegenstand nicht wegzuwerfen?
Über diesen Blog:
Der rasche Wandel hin zu globaler ökologischer Nachhaltigkeit ist dringend geboten. Wirtschaft und Industrie haben enorme soziale und ökologische Auswirkungen. „Warum ist das wichtig?“ ist ein zweimonatlicher Blog, der darauf abzielt, dieses wichtige Thema aus der Sicht unserer Experten zu beleuchten.
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