Als Anne Le Moigne beschließt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, hat sie bereits mehr als 20 Jahre Erfahrung in einem völlig anderen Bereich als dem, der sie erwartet. Sie wechselt von der Luftfahrt und dem Personalwesen zur Bäckerei und Konditorei. Sie ist davon überzeugt, dass das Know-how à la française in Luxemburg Potenzial haben kann, und sie wird Recht behalten! In unserem Gespräch wollten wir ihre Berufswahl sowie die Schritte, die sie im Hinblick auf die Übernahme von BioScott unternommen hat, verstehen. Begleitet wurde Sie vonseiten der Spuerkeess von Franck Alter, Experte für „Unternehmensübertragung“. Viel Spaß beim Lesen!
Die Zukunft trägt einen Hut!
Sylvia wurde in Spanien geboren und zog 2007 in die Großregion. Nachdem sie 21 Jahre lang in einer Bank gearbeitet hatte, beschloss sie, von ihrer Leidenschaft zu leben, der Kreation von Prêt-à-porter und Couture-Hüten und Haarschmuck In diesem Artikel erzählt uns Sylvia von ihrem Weg zur Unternehmerin. Viel Spaß beim Lesen!
Ich heiße Sylvia Martinez und bin Spanierin aus Madrid. Mit einem Schneider als Vater und einer Modemacherin als Tante bin ich zwischen Garnen, Nadeln und Stoffen aufgewachsen und mochte es schon als kleines Mädchen unglaublich gern, etwas mit meinen Händen zu erschaffen.
Nach einem Master in Wirtschaftswissenschaften/Versicherungsmathematik habe ich 21 Jahre lang in einer Bank in Madrid gearbeitet. Aber ich war unglücklich in meinem intellektuellen Job, weil ich dort meine künstlerische und kreative Seite nicht ausleben konnte. Also habe ich mich im Tanzen versucht, habe Möbel restauriert und Schmuck hergestellt.
2006 habe ich ein dreitägiges Praktikum in der Hutherstellung gemacht. Und so bin ich auf diesen Beruf aufmerksam geworden und habe mich in dieses Accessoire und die damit verbundenen Möglichkeiten verliebt.
Mit einem Hut haben alle Menschen die Möglichkeit, ihre Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen, sowie bei Veranstaltungen und im Alltag damit aus der Masse hervorzustechen. Ein Hut sagt unglaublich viel über eine Person aus, weil er alle Blicke auf sich zieht.
Nach einer Umschulung bin ich also Hutmacherin geworden und gehe dieser Leidenschaft seit inzwischen 13 Jahren nach. Mein Ziel ist es, diese Geschichte von Liebe und Leidenschaft über meine Hutkreationen, Kopfbedeckungen und den von mir entworfenen Kopfschmuck zu erzählen.
Im August 2007 bin ich nach Frankreich und in die Nähe der luxemburgischen Grenze umgezogen. Ich habe etwas Zeit gebraucht, um mich an das neue Land zu gewöhnen, mich um meine drei jungen Kinder zu kümmern und um darüber nachzudenken, was ich mit meinem Leben anfangen will. Ich wusste, dass ich nicht mehr in die Finanzwelt zurückgehen wollte.
Also habe ich meine Ausbildung zur Hutmacherin begonnen, obwohl es anfangs gar nicht so einfach war, eine gezielte Ausbildung für diesen Beruf zu finden. Aber ich habe Praktika für die fachliche Arbeit gefunden. Selbst als ich ausreichend erfahren für eigene Entwürfe war, musste ich weiter an meinen Techniken feilen und üben.
An meinem Wohnsitz in Frankreich habe ich mich bei der Handwerkskammer in meiner Region informiert. Ich habe mein Handwerksprojekt dort vorgestellt und bin für ein Jahr in ein Inkubator-Programm für Unternehmen aufgenommen worden. So konnte ich meine Berufstätigkeit ausprobieren und habe Unterstützung in den notwendigen Bereichen zur Gründung meines Unternehmens bekommen.
Ich habe meine Arbeiten (originelle und abwechlungsreiche Farbkreationen) auf handwerklichen Ausstellungen gezeigt und erste Erfolge erzielt. Ich habe Erfahrungen sammeln können und nach dem Start-up-Jahr habe ich mein eigenes Unternehmen „Les Folie‘s Bibis“ von zu Hause aus gegründet. Aber wenn man erst mal auf sich allein gestellt ist, wird alles sehr viel schwieriger!
Am schwierigsten ist es, dass alles von Grund auf aufgebaut werden werden muss. Es reicht nicht, einfach nur handwerklich gut zu sein, sondern man muss auch das Unternehmen als Ganzes voranbringen. Sich die richtigen Fragen stellen, den Wettbewerb im Blick haben, Marktstudien anfertigen, gute Lieferanten finden, gute Ausstellungen finden... Man muss einfach an so viele Sachen gleichzeitig denken.
Im Jahr 2010 habe ich wegen persönlicher Umstände eine Anstellung im Tourismus angenommen. In dieser Zeit habe ich weiterhin Hüte für meine Ausstellungen an den Wochenenden produziert.
In jenen Jahren, konnte ich Erfahrungen bei der Hutkreation sammeln und ausprobieren, wo meine Arbeit am meisten geschätzt wird. Ich bin immer geschickter mit den Händen geworden. Ich habe meine Ausbildung fortgesetzt und mich weiterentwickelt, sodass ich ein paar wichtige Erfolge feiern konnte:
Während dieser Zeit habe ich weiter an den Entwürfen für meine einzigartigen Stücke gearbeitet, aber ich habe die Arbeit als Unternehmerin vernachlässigt... Als das Unternehmen, in dem ich angestellt war, Ende des Jahres 2018 geschlossen wurde, entschied ich mich voll und ganz meinem eigenen Unternehmen zu widmen.
Ganz allein und mit der Aussicht auf eine unsichere Zukunft war das keine leichte Entscheidung… Aber ich habe beschlossen, lieber auf mein Herz zu hören und nicht auf meinen Verstand. Ich wollte meiner Leidenschaft eine Chance geben und meinen Traum verwirklichen!
Ich habe erfahren, dass es in Luxemburg beim House of Training das Programm FIT4 Entrepreneurship gibt und habe mich dort beworben. Ich wollte mich mit der Möglichkeit auseinandersetzen, mein Unternehmen in Luxemburg zu gründen.
Im Januar 2019 habe ich damit begonnen und musste mir bewusst machen, dass auf unternehmerischer Seite jede Menge Arbeit vor mir lag... Mithilfe des Programms habe ich einen allgemeinen Überblick über die Aufgaben und Anforderungen an ein Unternehmen und an eine Unternehmerin bekommen. Dadurch konnte ich mir die richtigen Fragen stellen und feststellen, worauf ich mich konzentrieren musste.
Nach der Begutachtung meines Projekts musste ich feststellen, dass es nicht rentabel gewesen wäre, mein Unternehmen nach Luxemburg zu verlagern: Die Miete für einen Laden hätte mich dort mehr gekostet als in Frankreich.
Also bin ich in Frankreich in meinem eigenen Atelier geblieben und habe das gemacht, worauf ich vorher eher verzichtet habe: Ich habe mir die Sichtweise einer Unternehmerin zugelegt.
Beim Namen und dem Image der Marke habe ich mich für eine Veränderung entschieden und arbeite jetzt als „SYLVIA MARTINEZ COUTURE HATS“. Diese Marke passt im Moment besser zu meiner hochwertigen Arbeit und zu meiner persönlichen Entwicklung: Kreationen im Bereich Prêt-à-porter (für legere Anlässe und Cocktail-Empfänge), Maßanfertigungen und ein besonderer Haarschmuck für die Braut.
Ich habe eine neue Internetseite eingerichtet, SYLVIA MARTINEZ COUTURE HATS, und ich habe mich insbesondere um die Kommunikation bei Social Media gekümmert.
Im März 2022 habe ich einen Online-Shop eröffnet, um meine Kreationen in einem noch größeren Rahmen verkaufen zu können.
5. Sich nach der Pandemie neu erfinden
Als es während der COVID-19-Pandemie unmöglich war, Ausstellungen zu veranstalten, habe ich die Zeit für die Selbstwahrnehmung genutzt und über meinen Beruf und mein Unternehmen nachgedacht.
In den letzten 2 Jahren musste ich mich selbst neu erfinden und derzeit arbeite ich an einem großen Projekt für Online-Kurse mit 3 Stufen für Anfänger / Fortgeschrittene / Profis. So will ich mir ein zusätzliches Standbein aufbauen... Den Anfänger-Kurs gibt es schon, die beiden anderen befinden sich noch im Aufbau.
Mit meinen Kursen möchte ich weitergeben, was ich mir selbst in vielen Stunden Arbeit selbst beibringen musste: Handgriffe immer wieder ausführen, einen Schritt tun, um ihn manchmal wieder zurückzugehen und es noch einmal versuchen.
Mit all meinen Erfahrungen möchte ich versuchen, meine Teilnehmer vor Frustration und Zeitverschwendung zu bewahren.
Sie bekommen Zugang zu all meinen Kniffen, den richtigen Handgriffen, meinen Tipps, Tricks und Empfehlungen.
Mein Anliegen ist es, einen Kokon des Rückzugs und der Entspannung zu erschaffen, damit sich die Teilnehmer wieder auf das Hier und Jetzt konzentrieren können, während sie sich gleichzeitig auf den unschätzbaren Wert der Handarbeit einlassen.
Ich finde es einfach toll, Dinge zu erschaffen, mir Neues vorzustellen, mit meinen eigenen Händen zu arbeiten, meine Erkenntnisse und Fähigkeiten weiterzugeben und sie mit anderen zu teilen, weil ich glaube, dass sie nur dadurch weiterwachsen und zu einer schöneren und solidarischeren Welt beitragen können.
Sylvias Tipps an Gründer in spe
Es ist gut, eine Idee zu haben, aber damit diese Idee konkret werden kann, muss man sich die richtigen Fragen stellen. Die Antworten auf diese Fragen findet man tief in sich selbst. Man muss wirklich wissen, was man will, so detailliert wie möglich an die Sache herangehen, die eigene Roadmap vorbereiten und sich die nötigen Mittel verschaffen, um alles auf den Weg zu bringen.
Es ist nicht immer einfach, wenn man sich um alles selbst kümmern muss, weil man bei diesem Projekt wirklich alle Hüte selbst aufhat, aber das Gefühl der Freiheit, die Möglichkeit, selbst über seine Zeit bestimmen zu können und zu entscheiden, wie man die Dinge angehen will, sind in meinen Augen Riesenvorteile.
Resilienz, Durchhaltevermögen und Spaß… für mich sind das die Schlüsselbegriffe, an die man denken muss, wenn man sich an das Projekt Selbstständigkeit wagt und sein Ziel erreichen will.
Nyuko und Spuerkeess haben eine Partnerschaft abgeschlossen einerseits um den Unternehmergeist zu fördern und andererseits um die Position der Bank bei den Unternehmensgründern schon bei deren ersten Schritten stärken zu können. Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.spuerkeess.lu/de/blog/expertenrunde/nyuko-unternehmergeist-foerdern/.